Die schwäbische Sprache ist eine an Selbstlauten außerordentlich reiche Sprache und belegt darin einen Spitzenplatz unter den europäischen Sprachen. In einem akustischen Vergleich gesprochen: Besitzt das Hochdeutsche die Klangvielfalt eines Streichorchesters, dann besitzt das Schwäbische den Klangreichtum eines ganzen Sinfonieorchesters.
Nachfolgend finden Sie fünf Rubriken zu den schwäbischen Selbstlauten:
1. Die Grundvokale
2. Die Umlaute
3. Die Nasalvokale
4. Die Schwa-Laute/Leichtvokale
5. Die Diphthonge
Jede dieser fünf Rubriken ist folgendermaßen aufgebaut:
Zuerst sind die Angaben zum Altdeutschen (750 - 1050 n. Chr.) aufgeführt. Von dieser gemeinsamen Vorgängersprache leiten sich sowohl das Hochdeutsche wie das Hochschwäbische ab.
Danach folgen die Angaben zum heutigen Hochdeutschen (1650 n. Chr. - heute)
Schließlich folgen die Angaben zum heutigen Hochschwäbischen (1650 n. Chr. - heute).
Das Mitteldeutsche (1050 - 1350 n. Chr.) ist nicht aufgeführt, da sich in dieser Zeit bereits die Wege zum Hochdeutschen und zum Hochschwäbischen getrennt haben.
1. Die Grundvokale
Altdeutsch gab es 6 Grundvokale:
a, ä und e (beide als e geschrieben), i, o, u
Hochdeutsch gibt es ebenfalls 6 Grundvokale:
a, ä (als Grundvokal immer e geschrieben, nur als Umlaut ä), e, i, o, u
Hochschwäbisch gibt es 7 Grundvokale:
a (helles a), å (dunkles a), ä, e, i, o, u
Das Hochschwäbische hat das althochdeutsche lange a zu å weiterentwickelt.
2. Die Umlaute
Altdeutsch lautete das Umlautsystem:
a > e o > e u > i
Hochdeutsch lautet das Umlautsystem:
a > ä o > ö u > ü
Das Neuhochdeutsche hat die althochdeutschen Umlaute e (zu a und zu o) und i (zu u) an ihren jeweiligen Grundlaut angenähert und dadurch zu ä, ö und ü eingerundet. Diese gerundeten Umlaute entstanden in mitteldeutscher Zeit (1050 - 1350 n. Chr.) auf dem Weg zum Hochdeutschen.
Hochschwäbisch lautet das Umlautsystem:
a > e/ä o > e u > i
Das Hochschwäbische führt das altdeutsche Umlautsystem im Wesentlichen unverändert weiter.
Die Behauptung, das Schwäbische habe die hochdeutschen Umlaute ö und ü zu e und i entrundet, ist Quatsch. Denn das Schwäbische kommt nicht vom heutigen Hochdeutschen her, sondern vom Altdeutschen! Es hat nur das althochdeutsche Umlautsystem beibehalten. Auch den Umlaut e (zu a) hat das Schwäbische meist unverändert beibehalten. So lauten z. Bsp. die Steigerungsformen schwäbisch kald>kelder und schmal>schmeler, nicht wie im Hochdeutschen kalt>kälter und schmal>schmäler.
3. Die Nasalvokale
Altdeutsch gab es möglicherweise Nasalvokale, ist aber eher unwahrscheinlich. Klarheit darüber gibt es nicht. Sollte sie es je gegeben haben, dann wären sie noch in altdeutscher Zeit aufgegeben worden.
Hochdeutsch gibt es keine Nasalvokale.
Hochschwäbisch gibt es fünf Nasalvokale, zu den Klarlauten a, ä, e, i, o.
International werden sie mit übergesetzter Tilde geschrieben ã, ä̃, ẽ, ĩ, õ.
4. Die Leichtvokale
Altdeutsch sind keine derartigen Laute nachweisbar
Hochdeutsch ist nur das "e-Schwa" anerkannt.
Es klingt nach einem leichten ö und wird in der Lautschrift IPA als [ə] geschrieben
Hochschwäbisch gibt es drei Leichtvokale.
Das leichte nasalierte a, in IPA geschrieben [ɐ̯͂]
Das leichte e, in IPA geschrieben [e], mit zusätzlich untergesetztem Bogen [ ̯ ]
Das leichte o, in IPA geschrieben [o], mit zusätzlich untergesetztem Bogen [ ̯ ]
5. Die Diphthonge
Altdeutsch
Das Altdeutsche zeigt eine ausgeprägte diphthongische Struktur.
Sehr viele Wörter besitzen hier als Stammlaut einen Diphthong. Es gab mindestens die vier Diphthonge ao, ia, io, iu. Wörter mit einem Einzelvokal als Stammlaut sind weniger häufig.
Hochdeutsch
Das Hochdeutsche hat fast alle altdeutschen Diphthonge zu Einzelvokalen vereinfacht.
Andererseits sind auch drei neue Diphthonge entstanden - die aber alle anders geschrieben werden als wie sie ausgesprochen werden: ai = geschrieben ei; ao = geschrieben au; öü = geschrieben äu/eu.
Der Diphthong ui kommt hochdeutsch nur sehr selten vor, hat aber mit dem altdeutschen Diphthong keine Verbindung.
Hochschwäbisch
Das Hochschwäbische führt die diphthongische Struktur des Altdeutschen weiter (so übrigens auch die anderen oberdeutschen Sprachen: Bairisch-Österreichische und Alemannisch). Wenn also im Hochschwäbischen ein Wort mit Diphthong vorkommt (z. B. Fuas Fuß und Fias Füße, guat gut und Giade Güte), dann geht dieser Diphthong direkt auf die altdeutsche Lautstruktur zurück.
Das Hochschwäbische kennt insgesamt 16 (!) Diphthonge.
a) 12 von ihnen kommen überall vor: ae/ãẽ, äa, ao/ãõ, au, ei, ia, io, ua, uo, ui
b) 2 weitere kommen nur alternativ vor: Jede Region kennt entweder nur die einen zwei (oe und åe) oder nur die anderen zwei (oa und åa).
c) Dadurch verwendet jede Region exakt 14 Diphthonge.
065