Phonetik (Lautlehre)


„Das Schwäbische ist, wie das Italienische, eine Vokalsprache“
(August Lämmle, Es leiselet im Holderbusch S. 209)


Die schwäbische Sprache verfügt über einen großen Reichtum an Vokalen. Er ist sehr viel höher als der des Hochdeutschen. Dies gibt der schwäbischen Sprache ihren unverkennbaren musikalischen Klang.

Allerdings sind rein hochdeutsche Sprecher/innen nicht in der Lage, die hochdifferenzierten feinen Unterschiede im Schwäbischen herauszuhören - ganz einfach deswegen, weil es viele der schwäbischen Vokale, Diphthonge, Nasalvokale und Leichtvokale im Hochdeutschen nicht gibt.

Nachfolgend die Übersicht:

Althochdeutsch

Hochdeutsch

Hochschwäbisch


6 Grundvokale:


a, e und ä (beide als e geschrieben),  i,  o,  u


6 Grundvokale:

a,  ä
(meist als e geschrieben),
e,  i,  o,  u



7 Grundvokale:

a
(helles a),
å (dunkles a), ä,
e,  i,  o,  u

Das Hochschwäbische hat das althochdeutsche lange a zu å weiterentwickelt.


Umlaute: ä, e, i


Das althochdeutsche Umlautsystem lautet
a > ä,   o > e,   u > i



Umlaute: ä, ö, ü

Das hochdeutsche Umlautsystem lautet:
a > ä,   o > e,   u > i

Das Neuhochdeutsche hat die althochdeutschen Umlaute e und i zu ö und ü verschoben.


Umlaute: ä, e, i

Das hochschwäbische Umlautsystem lautet:
a > ä,   o > e,   u > i

Das Hochschwäbische führt das althochdeutsche Umlautsystem weitgehend unverändert weiter.


Nasalvokale:


Vorhandensein unklar

 
- fehlen -


ã,  ä͂,  e͂,  õ

international üblich mit übergesetzter Tilde geschrieben 



Leichtvokale:
Von den drei schwäbischen Leichtvokalen (germanistisch "Schwa-Laute"), kommt keiner im Hochdeutschen vor. Der einzige von der Schulgermanistik anerkannte hochdeutsche Leichtvokal ist zudem ein anderer.


leichtes ö

geschrieben e (!)
in Lautschrift geschrieben [ə]


leichtes nasaliertes
a 
in Lautschrift geschrieben [ɐ̯͂]

leichtes e
in Lautschrift geschrieben [e̯]

leichtes o
in Lautschrift geschrieben [o̯]


Diphthonge
(Doppellaute):





Die hochdeutsche Sprache kennt nur 3 Diphthonge:  

ai 
(geschrieben ei)
ao  (geschrieben au)
oy  (geschrieben äu und eu)

Die hochdeutschen Diphthonge werden alle anders geschrieben als wie sie ausgesprochen werden!


Das Hochschwäbische kennt insgesamt 16 Diphthonge.

12 von ihnen kommen überall vor:

ae, nasaliert ãẽ  (gesprochen a-e, bzw. ã-ẽ nicht ä!)
äa  (a = leichtes nasaliertes a)
ao, nasaliert ão  (gesprochen ao bzw. ãõ)
au (gesprochen als au, nicht wie hochdeutsch als ao)
ei  (gesprochen als ei, nicht wie hochdeutsch als ai)
ia   (a = leichtes nasaliertes a)
io   (o = leichtes o)
ua  (a = leichtes nasaliertes a)
uo  (o = leichtes o)
ui

4 von ihnen kommen nur alternativ vor:

Entweder oe und åe, oder oa und åa. Jede Region kennt nur entweder die einen zwei oder die anderen zwei. 

Jede Region verwendet demnach  exakt 14 Diphthonge.


Das Forschungsproblem:

Die älteren Jahrgänge, die noch ein relativ unverfälschtes Schwäbisch sprechen, sind bald nicht mehr am Leben. Wer in der heutigen Zeit noch Forschungen zur genuinen Phonetik der schwäbischen Sprache betreiben will, muss sich beeilen!

Die jüngeren Jahrgänge ab etwa 1960 sprechen, als Folge der forcierten schulischen Umsprachung auf Neudeutsch nur noch ein rudimentäres Schwäbisch. Dieses rudimentäre "Schwäbisch" kann nicht mehr als Grundlage für wissenschaftliche Studen über die schwäbische Sprache dienen - allenfalls dafür, wie weit ihre Zerstörung schon fortgeschritten ist.


Die rein erhaltene schwäbische Phonetik ist dokumentiert
in den folgenden wissenschaftlichen Grundlagenwerken:

> Karl Bohnenberger, Zur Geschichte der Schwäbischen Mundart im XV. Jahrhundert, Tübingen 1892;  Neudruck 1971 Dr. Martin Sändig oHG, Niederwalluf bei Wiesbaden, ISBN 3 500 22980 8
> ders., Die Mundarten Württembergs, 1928 Silberburg-Verlag Stuttgart
> Josef Karlmann Brechenmacher, Schwäbische Sprachkunde, 1925 Verlag von Adolf Bonz und Comp, Stuttgart; > Nachdruck 1987 HUND GmbH, Saulgau (keine ISBN)

Poplärwissenschaftlich kann speziell für den Bereich Balingen auch herangezogen werden
> Roland Groner, Gschrieba wia gschwätzt, 2007 SP-Verlag Albstadt, ISBN 978-3-9811017-4-4