Wissenschaftliche Grundlagen der Homepage
Wer über die schwäbische Sprache redet oder schreibt, sollte Rechenschaft geben können über sein Vorgehen. Dies gilt für meine Bücher und auch für diese Homepage. Folgendes Vorgehen liegt zugrunde:
1. Nur im Alltagsgespräch gehörtes Schwäbisch ist aussagekräftig
Ich nehme nur solche Formulierungen auf, die ich in einem Alltagsgespräch unter alteingesessenen Schwaben beiläufig mitgehört habe und nicht erfragt habe. Dieses beiläufig mitgehörte Alltagsschwäbisch ist authentisch. Hier lassen sich Wortschatz und Grammatik klar erkennen.
2. Mikrofonschwäbisch bleibt außen vor
Gezielt erfragtes Schwäbisch weicht oft von dem im Alltag gesprochenen Schwäbisch ab und zeigt hochdeutschen Einfluss. Warum? Werden Schwaben direkt befragt, antworten sie in der Regel in einer Art Mikrofonschwäbisch. Sie neigen unbewusst dazu, eine solche Sprachebene zu wählen, die sich dem/der auf hochdeutsch Fragenden ein Stück weit annähert. Insbesondere die Sprecher/innen der "Sprechenden Sprachatlasse" zeigen unüberhörbar diesen Einfluss.
In der Physik ist dies als Subjekt-Objekt-Problem bekannt. Die fragende Subjektsperson hat mit ihrer Sprachebene ungewollt Auswirkungen auf die Antworten der befragten Objektsperson. Ein Beispiel: Der Befragte hat zunächst mit "mir hend" erzählt. Nach einer Zwischenfrage des Interviewers fährt er mit "mir habet" fort. Warum? Weil der Interviewer auf Hochdeutsch zwischengefragt hat: "Wie haben Sie ...?"
Insbesondere auch kommunale Angestellte neigen zu Mikrofonschwäbisch, wenn man sie über die örtliche Mundart befragt. In meiner Forschungsarbeit haben sich solche Auskünfte sehr oft als fehlerhaft herausgestellt, wenn ich sie mit dem beiläufig mitgehörten tatsächlichen Sprachgebrauch ihrer alteingesessenen schwäbischen Bürger/innen auf der Straße oder unter Verwandten verglichen habe.
3. Einbeziehung der klassischen schwäbischen Mundartliteratur
Ich nehme bewusst Bezug auf solche Autoren, die sich eine durchdachte Darstellung ihrer Mundart zum Ziel gesetzt haben. Autoren der reinen "Spaßfraktion" (Wortwahl von Rudolf Paul) werden nicht herangezogen.
Zu den Autoren, die ihre Darstellung der Mundart durchdacht haben, gehören zum Beispiel Michael Buck, Karl Hötzer, Fritz Holder, Matthias Koch, August Lämmle, Wilhelm König, Rudolf Paul, Friedrich E. Vogt, Carl und Richard Weitbrecht. Die meisten dieser Autoren geben zudem an, wie sich bei ihnen Aussprache und Verschriftlichung zueinander verhalten. Derartige Hinweise sind ein Kennzeichen gut reflektierter Autorenschaft.
4. Hermann Fischers "Schwäbisches Handwörterbuch" dient als Prüfstein
Dieses 7-bändige Werk von Hermann Fischer dient in allen Zweifelsfällen als kritischer Prüfstein für die Frage, was genuines Schwäbisch ist. Es steht in meinem Bücherregal.
Beachtet werden muss aber: Fischer stellt alle Sprachregionen des ehemaligen Königreichs Württemberg dar. Sein Wörterbuch enthält deshalb nicht nur Schwäbisch, sondern auch Fränkisch.
Fischer listet seine Belege nach Oberämtern auf. Da er seine Aufstellungen von Norden nach Süden ordnet, stehen die Wortformen aus den württembergisch-fränkischen (!) Oberämtern am Anfang; danach erst folgen die Wortformen aus den württembergisch-schwäbischen Oberämtern. Diejenigen Wortformen, die aus den fränkischen Oberämtern Württembergs stammen, müssen aber fürs Schwäbische außen vor bleiben!
Für den Abgleich mit den beiden Nachbarsprachen Alemannisch und Bairisch konsultiere ich folgende Bücher: Für den Abgleich mit dem Alemannischen die "Alemannische Grammatik" von Karl Weinhold; für den Abgleich mit dem Bairischen das "Bairische Wörterbuch" Johann Jakob Schmellers und die "Bairische Grammatik" Karl Weinholds.
5. Die schwäbische Sprache wird zum Mittelhochdeutschen und Althochdeutschen in Beziehung gesetzt
Die schwäbische Sprache ist eine eigenständige Weiterentwicklung der des Alt- und Mittelhochdeutschen. Ausformung, Wortlaut und Grammatik des Schwäbischen werden mit diesen Vorstufen in Beziehung gesetzt.
Jedwede Herleitung des Schwäbischen aus dem heutigen Hochdeutschen ist wissenschaftlicher barer Unsinn, da das Schwäbische nicht vorm heutigen Hochdeutschen her entstanden ist.
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