Viele Schwaben wissen das nicht. Sie fallen deshalb beim Hochdeutsch-Sprechen auf, weil sie das hochdeutsche ei für bare Münze halten und es als "ei" sprechen statt als ai.
1. Die schwäbische Unterscheidung ei - ai
Jeder Schwabe und jede Schwäbin unterscheidet beim Sprechen ganz klar "ei" und "ai". Ihre sprachliche Klangwelt ist allgemein, und so auch hier sehr viel reichhaltiger als die der hochdeutschen Sprecher und Sprecherinnen. Aber warum ist im Schwäbischen die unterschiedliche Sprechung "ei" und "ai" so wichtig?
Diese beiden unterschiedlichen Laute dienen dazu, ähnliche, aber unterschiedliche Wörter zu unterscheiden. In der germanistischen Fachsprache ausgedrückt: Im Schwäbischen sind "ei" und "ai" keine Allophone, sondern Phoneme. Beispiele:
schwäbische Unterscheidung | hochdeutsche Bedeutung |
a Waile - a Weile | ein Wehwehchen - ein Weilchen (kleiner Zeitraum) |
naidich - neidich | nötig - neidisch |
voraisa - vorreisa | verreisen - zerreißen |
sai - sei | sein (Infinitiv, Possesivpron.) - sei (Konjunktiv) |
Sae - Sei | See - Säue (Schweine) |
Wai - Wei | Wein - (die) Weihe (Raubvogel) |
bais - beis | böse - (ich) beiße |
Gleichartige konsequente Unterscheidungen in der Aussprache kennt das Schwäbische auch bei den Diphthongen "au" und "ao", bei den Vokalen "e" und "ä" und bei den Vokalen helles a und dunkles a (geschrieben a bzw. å). Es handelt sich im Schwäbischen bei ihnen ebenfalls um Phoneme, und nicht um Allophone.
2. Die englisch – schwäbische Sprachverwandtschaft
Die Sprechung "ei" kommt in sehr vielen englischen Wörtern vor, zum Beispiel in fake Fälschung, facebook social Media, page Seite, to make machen, to take nehmen usw.
Die Sprechung "ai" kommt in englischen Wörtern vor wie zum Beispiel light Licht, to fight kämpfen, my mein usw.
Für Schwaben und schwäbisch sprechende Kinder ist das alles kein Problem, hier überall ein sehr gut klingendes Englisch zu sprechen. Denn sie kennen ja die beiden unterschiedlichen Laute ei und ai! Hochdeutsch genormte Kinder und Erwachsene dagegen müssen die Unterscheidung ei und ai erst mühsam lernen. Ihr Englisch hört sich da meist etwas seltsam an.
3. Die Leichen im Keller des Hochdeutschen
Die klare Unterscheidung der beiden Laute ei und ai galt noch um 1500 herum im gesamten (!) deutschen Sprachraum, bis dann das Hochdeutsche aufkam, und ohne Sinn und Gespür für feine sprachliche Differenzierung diese Unterscheidung plattmachte. Dabei stellte es sich leider ziemlich dämlich an: Die Schreibung wurde zu ei gemacht, die Sprechung zu ai. Beispiele:
Die Adjektive „weit" und „breit“ werden immer mit ai als wait und brait gesprochen
Die Substantive „Weib“ und „Zeitung“ werden Waip (!) und Zaitung (!) gesprochen.
Der „Weißwein“ macht es gleich doppelt: Er wird zwar zweimal mit ei geschrieben, aber beide Male mit ai als Waiswain gesprochen.
Der Duden stellt sich bei den englischen Lehnwörtern mit seiner verbohrten Ablehnung der Sprechung ei leider sprachlich völlig blind und taub an: Er besteht auf der Vermeidung der Aussprache ei: Deshalb soll „facebook“ als feesbuck gesprochen werden, das „cape“ als keep , die „homepage“ als "hoompeetsch“ (!), und die vornehme englische "Lady" soll man auf hochdeutsch mit "leedi" anreden. Ein solches Dudendeutsch verdient beim besten Willen nicht die qualitative Bezeichnung als hochwertiges „Hoch"-deutsch, sondern viel eher als debiles Flachdeutsch.