Unterscheidung zwischen ei und ai
Für eine gute schwäbische Schreibung ist eine Unterscheidung zwischen „ei“ und „ai“ unbedingt notwendig. Die Schreibung „ai“ erfordert den Mut, über das Hochdeutsche hinauszugehen. Denn das Hochdeutsche schließt ein „ai“ weitestgehend aus. Die einzigen Ausnahmen sind „Laib“ oder das Lehnwort „Kaiser“; sowie Ortsnamen mit ai, weil es sich da um eine amtliche Schreibung handelt. Aber warum ist im Schwäbischen die Schreibung „ai“ so wichtig?
Schwäbische Aussprache
Das Schwäbische unterscheidet in der Aussprache konsequent zwischen „ai“ (gesprochen a-e) und „ei“. Diese beiden unterschiedlichen Laute dienen dazu, ähnliche, aber unterschiedliche Wörter klar zu unterscheiden. In der germanistischen Fachsprache ausgedrückt: Im Schwäbischen sind „ei“ und „ai“ keine Allophone, sondern Phoneme. Beispiele:
Das Substantiv „(eine) Weile" meint einen Zeitraum, „(ein) Waile“ ein Wehwehchen.
Das Adjektiv „naidich“ meint nötig, das Adjektiv „neidich“ meint neidisch.
Das Verb „vor-reisa“ mit ei gesprochen meint zer-reißen (hochdeutsch zäa-raisn mit stimmlosem s), das Verb „vor-raisa“ mit ai gesprochen meint ver-reisen (hochdeutsch fäa-raisn mit stimmhaftem s).
Gleichartige konsequente Unterscheidungen in der Aussprache kennt das Schwäbische auch bei den Diphthongen "au" und "ao", bei den Vokalen "e" und "ä" und bei den Vokalen helles a (geschrieben a) und dunkles a (geschrieben å). Es handelt sich im Schwäbischen bei ihnen ebenfalls um Phoneme, und nicht um Allophone.
Das hochdeutsche Problem
Die klare Unterscheidung der beiden Laute ei und ai galt noch um 1500 herum im gesamten (!) hochdeutschen Sprachraum, bis dann das heutige so genannte Hochdeutsche kam und ohne jeden Sinn für eine gute Aussprache diese beiden Laute zu einem einzigen vermanschte. Dabei stellte es sich leider ziemlich dumm an: Zur Schreibung wurde durchweg ei gemacht, zur Sprechung aber durchweg ai. Beispiele:
Die Adjektive „weit" und „breit“ werden immer mit ai als wait und brait gesprochen
Die Substantive „Weib“ und „Zeitung“ werden Waip (!) und Zaitungk (!) gesprochen.
Der „Weißwein“ macht es gleich doppelt: Er wird zwar zweimal mit ei geschrieben, aber beide Male mit ai als Waiswain gesprochen.
Englisch – Schwäbisch
Die Unterscheidung zwischen „ei“ und „ai“ ist nicht nur für das Schwäbische, sondern erst recht für das Englische außerordentlich wichtig. So macht es zum Beispiel einen hörbaren Unterschied zwischen der Sprechung ei in „lake“ See und „way“ Weg; dagegen ai in „like“ ähnlich, gern haben und „way“ warum.
Die Sprechung ei kommt in sehr vielen englischen Wörtern vor: fake Fälschung, facebook social Media, page Seite, to make machen, to take nehmen usw. Die Sprechung „ai“ kommt vor in Wörtern wie light Licht, to fight kämpfen, my mein usw.
Für Schwaben und schwäbisch sprechende Kinder ist das kein Problem, hier überall ein sehr gut klingendes Englisch zu sprechen, mit ei wie mit ai. Denn sie kennen ja die beiden unterschiedlichen Laute! Hochdeutsch genormte Kinder und Erwachsene dagegen müssen die Unterscheidung ei – ai erst mühsam lernen. Ihr Englisch hört sich da meist etwas seltsam an.
Der Duden stellt sich bei den aus dem Englischen kommenden Lehnwörtern mit seiner verbohrten Ablehnung der Sprechung ei, man muss das leider sagen: ausgesprochen doof an: Er verlangt für diese Wörter eine Sprechung mit langem e: „facebook“ soll feesbuck gesprochen werden, das „cape“ wird zum keep, die „homepage“ wird zur hoompeetsch“ (!). Ein solches Dudendeutsch klingt nach einem debilen Flachdeutsch, auch wenn es Hochdeutsch genannt wird ...
Schreibempfehlungen für gutes Schwäbisch
a) Beispiele für die Schreibung ai
hochdeutsch geschrieben
| hochdeutsch gesprochen
| Schwäbisch gesprochen und geschrieben
|
leiten
| laitn
| laida
|
Wehwehchen
| wewechen
| Waile
|
mein, dein, sein
| main, dain, sain
| mai, dai, sai
|
heidenei!
| haidenai!
| haidenai!
|
b) Beispiele für die Schreibung ei
Wird schwäbisch ei gesprochen, bleibt es selbstverständlich bei dieser Schreibung.
D Leid die Leute behalten ihr ei, das geht ohnehin leicht (hochdeutsch dagegen mit ai gesprochen).
Bleiben wir also hier auch im Schwäbischen gelassen bei der Schreibung „ei“, wohl wissend, dass das Hochdeutsche die ganze Zait bai der Sprechung ai blaipt, aber hartnäckig ein ei schraipt ...
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