Die Entstehung der schwäbischen Sprache

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Die schwäbische Sprache gehört zu den germanischen Sprachen, wie auch Hochdeutsch, Plattdeutsch, Englisch, Niederländisch und die skandinavischen Sprachen.

Die Entstehung dieser Sprachen kann man sich vorstellen wie in einem Stammbaum: Aus dem gemeinsamen  germanischen Stamm gehen Äste und Zweige hervor. Der gemeinsame Stamm "Altgermanisch" wird etwa für die Zeit von 1000 v. Chr. bis um das Jahr 0 v. Chr. angesetzt. Gegen Ende dieser Zeit trennte sich der Stamm in einen nordgermanischen Ast, in einen westgermanischen Ast und in einen ostgermanischen Ast auf. Der ostgermanische Ast ging mit den Ostgoten vollständig unter. Aus den anderen beiden Ästen gingen als Zweige zahlreiche heutige Nachfolgesprachen hervor.


Nachfolgend werden die Entwicklungslinien zum Hochdeutschen und zum Hochschwäbischen nachgezeichnet. Beide Sprachen gehören zum westgermanischen Ast.

I.  Die Entstehung der hochdeutschen Sprache:

Für die Entstehung des heutigen Hochdeutschen („Neuhochdeutsch“) unterscheidet man herkömmlicherweise folgende Zeitperioden:

1.  Die althochdeutsche Zeit (ca. 500 bis 850 n. Chr.)
Für die Zeit von etwa 500 bis 850 n. Chr. spricht man für die südliche Hälfte der Bundesrepublik, für Österreich und die deutschsprachige Schweiz vom Alt-Hochdeutschen. Aus dieser Zeit gibt es die ersten schriftlichen Dokumente in einer alten deutschen Sprachform. Die Deklination der Substantive etwa zeigt im Althochdeutschen noch Endungen auf wie a, e, o und i, vergleichbar dem, was man im Lateinunterricht über Substantive lernt; ebenso haben die Verben noch alte Endungen: z. B. „scribames“ wir schreiben = lat. scribemus oder „bim“ ich bin = lat. sum usw.

(-)  Die dunkle Zeit (850 bis 1050 n. Chr.)
Dann folgen von etwa 850 bis 1050 n. Chr. zweihundert Jahre, in denen man fast ausschließlich in lateinischer Sprache schrieb. In dieser Zeit wandelte sich das Alt-Hochdeutsche zum Mittel-Hochdeutschen. Es verlor seine klangvollen Endvokale, übrig blieb nur das blasse e. In einem Bild gesprochen: Die althochdeutsche Sprache fuhr wie ein Zug in einen dunklen Tunnel ein. Und heraus kam sie auf der anderen Seite als mittelhochdeutsche Sprache. Was da im dunklen Tunnel geschah, weiß niemand so recht …

2.  Die mittelhochdeutsche Zeit (1050 bis 1350 n. Chr.)
Von 1050 bis 1350 n. Chr. spricht man dann vom Mittel-Hochdeutschen. In diese Zeit fällt die sogenannte mittelhochdeutsche Lautverschiebung. Damals wurde z. B. aus dem langen „i“ ein „ei“ - aus „Ziit“ wurde „Zeit“; aus dem langen „u“ wurde ein „au“ - aus dem „Buurahuus“ wurde „Bauernhaus“.

3a.  Die frühneuhochdeutsche Zeit (1350 bis 1650 n. Chr.)
Kurz nach 1500 übersetzt Martin Luther die Bibel in die sächsische Kanzleisprache. Man spricht für diese Zeit vom Früh-Neuhochdeutschen. Dieses ist sprachwissenschaftlich gesehen ein gehobener ostfränkischer Dialekt.

3.b.  Die neuhochdeutsche Zeit (1650 bis heute)
Es brauchte aber noch etwa 250 Jahre, bis durch verschiedene selbsternannte „Sprachverbesserer“ im preußisch-sächsischen Bereich um 1750 das heutige Neu-Hochdeutsch ausgeformt war. Dieses ist die norddeutsch geprägte Variante des Gesamthochdeutschen.
In Bayern und Österreich gab es zeitgleich einige Versuche für eine süddeutsch geprägte Variante des Neu-Hochdeutschen. Da aber ab 1700 der Staat Preußen zur dominierenden deutschen Militärmacht aufstieg und in diversen Schlachten immer wieder Österreich besiegte, setzte sich im Kielwasser der preußischen Machtstrategie die norddeutsche Variante schließlich im gesamten süddeutschen Sprachraum durch.

Festgestellt werden kann:
>  Das heutige Neu-Hochdeutsche ist eine Nachfolgesprache des Alt- und Mittel-Hochdeutschen.
>  Es wurde im sächsisch-preußischen Bereich gestylt 
>  Es wurde durch staatliche Anordnungen von oben herab zur Vorschrift und verdrängte dadurch die Nachfolgesprachen des nördlichen Niederdeutschen und des südlichen Oberdeutschen.  


II.  Die Entstehung der hochschwäbischen Sprache:

Das Hochschwäbische entwickelte sich unabhängig vom heutigen Neu-Hochdeutschen und zeitlich bereits vor ihm im Südwesten des deutschen Sprachraums. Es ist eine Nachfolgesprache des Alt- und Mittel-Oberdeutschen. 

1.  Die altoberdeutsche Zeit (von ca. 500 bis 1050 n Chr.)
In altoberdeutscher Zeit bestand eine gemeinsame Sprachform für den gesamten süddeutschen Sprachraum (in etwa Baden-Württemberg, Bayern, das Elsass, Österreich, Südtirol und die Deutschschweiz). Es war das so genannte Alt-Oberdeutsche.
Etwa um das Jahr 1000 n. Chr. bricht diese, vom Elsass bis hinüber nach Wien entfernungsmäßig weit ausgestreckte Sprache, auseinander. Dies geschieht entlang des Flusses Lech. Es entsteht das Ost-Oberdeutsche (heute Bairisch-Österreichisch) und das West-Oberdeutsche (heute Schwäbisch-Alemannisch). Dennoch bleiben viele Merkmale dieses Sprachraums bis heute als gemeinsam erhalten, wie etwa die Bildung des Partizips Perfekt weitgehend ohne die Vorsilbe „ge“ (z. B. pfiffa statt gepfiffen, "kaoft" statt gekauft usw.) oder die Bildung des Konjunktivs mit "täte" statt würde. Diese sind keine speziell schwäbischen Merkmale, sondern gesamt-oberdeutsche Merkmale.

2.  Die mitteloberdeutsche Zeit (1050 bis 1350 n. Chr.)
Eine weitere Trennung findet durch die so genannte mittelhochdeutsche Lautverschiebung statt. Der schwäbische Bereich übernimmt sie in einer modifizierten Form, der alemannische Bereich dagegen hält sich völlig frei von ihr. Bereits um 1350 n. Chr. ist diese bis heute bestehende Auftrennung in Alemannisch und Schwäbisch vollzogen. Das Schwäbische ist geboren. 

Am Ende der mitteloberdeutschen Zeit haben sich die schwäbische und die alemannische Sprache als zwar verwandte, aber unterschiedliche Sprachen gefestigt. Ab nun spricht man im schwäbischen Raum von „Sbråch“ Sprache, „råda“ raten usw., von „Måesdor“ Meister und „i wåes“ ich weiß usw. Man spricht vom „Gnui“ Knie, von „dui“ diese und „sui“ sie. Die Konjugation der Verben besitzt bereits den sogenannten Einheitsplural „mir/ir/se dend“ wir/ihr/sie tun/tut/tun, „mir/ir/se schreibed“ wir/ihr/sie schreiben/schreibt/schreiben usw. Man spricht weiterhin „e“ statt „ö“: „schee“ statt schön und „ia“ statt „ü“: „Fias“ statt Füße, "miasa" statt müssen usw.

3.  Die neuoberdeutsch-schwäbische Zeit (1350 bis heute):
Das Schwäbische bleibt eine über ca. 600 Jahre hinweg weitgehend gleich gesprochene Volkssprache. Eine verbindliche Schriftform etabliert sich allerdings nicht, da der schwäbische Sprachraum politisch stark zersplittert ist. Ein politisches Zentrum, das die Sprache unterstützen würde, fehlt.

Das schriftlich fixierte und staatlich monopolisierte Neu-Hochdeutsch zerstört nun seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs das Hochschwäbische und auch alle anderen Volkssprachen innerhalb Deutschlands und Österreichs (mit Ausnahme der sprachlich selbstbewussten Schweiz, die das Alemannische als Volkssprache pflegt). 

III. Zusammenfassung

Wissenschaftlich festgestellt werden kann:

>  Die Schwäbische Sprache ist eine Nachfolgesprache des Alt- und Mitteloberdeutschen.
>  Sie ist kein degeneriertes Hochdeutsch. Sie ist zeitlich vor und unabhängig vom Hochdeutschen in einem eigenen Bereich Deutschlands entstanden
>  Schwäbisch ist seit etwa 1350 n. Chr. im Großen und Ganzen gleichgeblieben.
>  Es ist eine Volkssprache von unten her. Ihr fehlt die staatliche und öffentliche Anerkennung als Sprache.