Phonetik (Lautlehre)

Die beiden komplementären Leichtlaut-Endungen e und a


Die Unterscheidung der beiden Leichtlaut-Endungen e und a
ist in der schwäbischen Sprache von grundlegender Bedeutung.

Phonetisch

Der Laut e

Der Laut a 

Das Hörproblem:
Diese Unterscheidung der beiden schwäbischen Endungen e und a wird von lediglich hochdeutsch hörenden Ohren leider nicht wahrgenommen.

Deshalb ist in der Schulgermanistik diese Differenzierung unbekannt. Um sie wahrnehmen zu können, müssten germanistische "Nordlichter" erst eine Hörschulung bekommen.

Zusätzlich unterscheiden sich auch die deutschen und schwäbischen Aussprachen der Endungen e und a grundlegend voneinander. 

Die hochdeutsche Endung "e" ist der zentrale undefinierte Schwa-Laut, der nach einem leichten ö klingt, aber e geschrieben wird (IPA [ə]). Er kommt z. B. zweimal in dem Wort "Gebirge" vor, das in etwa "Göbirgö" gesprochen wird.

Die hochschwäbische Endung "e" ist der Leichtlaut des klaren geschlossenen e [e]. Es findet z. B. Verwendung im Wort "Mädle" Mädchen (Singular!) oder in Wörtern mit festem Endungs-e, z. B. "Kuche" Küche oder "Degge" Decke.

Die hochdeutsche Endung "a" ist der nach a klingende Schwa-Laut, in IPA [ɐ] geschrieben. Er ist die Duden-offizielle Aussprache der Endung "er", z. B. Meister = "Maista", Schüler = "Schüla",  Bücher = , "Bücha", weiter = "waita" usw.

 Die hochschwäbische Endung "a" ist der nasalierte a-Schwa-Laut, in  IPA [ɐ͂] geschrieben. Er findet z. B. Verwendung in "Mädla" Mädchen (Plural!), "Dascha" Taschen, "Farba" Farben und in der Infinitiv-Endung, z. B. "schreiba" schreiben, "läasa" lesen, "rächna" rechnen usw.


Grammatisch

Die Endung e

Die Endung a

Diminutiv
Die Endungen e und a dienen der Unterscheidung von Singular und Plural

im Singular e:

Mädle - Heisle
Mädchen - Häuschen

im Plural a:   

Mädla - Heisla
Mädchen - Häuschen

Verben
Unterscheidung des Infinitivs von der 1. Person Singular mit angehängtem unbetonten Personalpronomen

1. Person Singular: 

(nå) läas-e  (dann) lese ich,
schreib-e  schreibe ich,
rächn-e rechne ich
usw.

Infinitiv:

läasa  lesen
schreiba  schreiben
rächnrechnen
usw.

Adverbien
Die Endungen e und a dienen der Unterscheidung von Richtung und Ort:

a) Die Endung e wird für Richtungsangaben verwendet 
b) Die Endung a wird für Ortsangaben verwendet. 


a) Adverbien der Richtung mit e:

abe  abwärts,
uffaufwärts
ãne  weiter (Bewegung fortsetzend)
nåre  weiter (Bewegung beginnend)
hendorschnach hinten
firrschnach vorne
usw.

b) Adverbien des Ortes mit a:

henda  hinten
vorna  vorne
oba  oben
doba  dort oben
hoba  hier oben
ondunten
usw.

Deklination der Adjektive
Unterscheidung der Endungen des Feminiums Singular und des Plurals:

> Die Endung e ist dem Plural zugeordnet. 
> Die Endung a ist dem Femininum Singular zugeordnet.

Im Plural enden alle Adjektive in allen Kasus auf e:

(Nom./Akk.)
scheene Kircha, Heisor 
schöne Kirchen, Häuser

d scheene Kircha, Heisor
die schönen Kirchen, Häuser
dia scheene Kircha, Heisor 
diese schönen Kirchen, Häuser

(Dat.)
scheene Kircha, Heisor
schönen Kirchen, Häusern
de scheene Kircha, Heisor
den schönen Kirchen, Häusern 
denne scheene Kircha, Heisor 
diesen schönen Kirchen, Häusern
usw.

Im Femininum Singular enden alle Formen in allen Kasus auf a:
 
(Nom./Akk.)
a scheena Kirch
eine schöne Kirche
d scheena Kirch
die schöne Kirche 
dui scheena Kirch 
diese schöne Kirche

(Dat.)
ara [ɐ͂rɐ͂] scheena Kirch
einer schönen Kirche
dor scheena Kirch  
der schönen Kirche
dieser schönen Kirche
dära ['
dεrɐ͂] scheena Kirch
usw.