Die Konjugation der unregelmäßigen Verben
D Konjugatio vo de oreglmäsiche Värba
Eine der Hauptregeln für die schwäbische Grammatik lautet:
Die schwäbische Grammatik steht nicht isoliert für sich.
Sie ist Teil der gemeinsamen und weitgehend gleichen
Grammatik des gesamten oberdeutschen Sprachraums.
Diese Hauptregel gilt auch für die Grammatik der Verben.
Nachfolgend mache ich auf drei wichtige Bereiche an
Unterschieden hochdeutsch-hochschwäbisch aufmerksam:
A) Unterschiede in der Bildung des Partizips Perfekt:
Weithin bekannt ist, dass im Schwäbischen (und im ganzen Oberdeutschen Sprachraum!) bei vielen Verben das Partizip Perfekt ohne das Augment "ge" gebildet wird. Dies tritt ein bei allen Verben, die mit einem so genannten Verschlusslaut beginnen (d/t/z, g/k/q/x, b/p). Da diese Bildung des Partizips Perfekt nach einer klaren grammatischen Regel erfolgt, wird ein Verb dadurch nicht zu einem unregelmäßigen. Mit hörbar anderer Aussprache anders als im Hochdeutschen wird auch das Partizip Perfekt der mit einem Vokal anlautenden Verben (a, ä, å, e, i, o, u) gebildet.
Regelmäßige Verben sind daran zu erkennen, dass sie ihr Partizip Perfekt mit der Endung "et" bilden. Beispiele für solche regelmäßige Verben:
deutsch regelmäßig | gebadet, gekostet, getankt |
schwäbisch regelmäßig | baded, koschded, tanggd |
Unregelmäßige Verben erkennt man daran, dass sie ihr Partizip Perfekt mit der Endung "en" bilden. Oft, aber nicht immer, ändert sich auch der so genannte Stammvokal. Beispiele für unregelmäßige Verben:
deutsch unregelmäßig | geblieben, gegolten, gekommen, gezogen |
schwäbisch unregelmäßig | bliiba, golda, komma, zoga |
B) Die Anzahl der unregelmäßigen Verben:
Im Hochschwäbischen wie im Hochdeutschen gibt es rund 200 unregelmäßige Verben. Die Liste dieser unregelmäßigen Verben ist aber zwischen Schwäbisch und Deutsch nicht deckungsgleich. Nur ihre Anzahl ist ungefähr gleich.
Von etwa zehn schwäbisch unregelmäßigen Verben gilt, dass sie hochdeutsch regelmäßig sind. Beispiele:
falda>gfalda falten>gefaltet, zenda>zonda zünden>gezündet.
Umgekehrt sind etwa zehn schwäbisch regelmäßige Verben hochdeutsch unregelmäßig. Beispiele:
brenna>brennd brennen>gebrannt, kenna>kennd kennen>gekannt.
C) Unterschiede in der Konjugation des Präsens Singular und des Imperativs Singular:
Einen solchen gundlegenden Unterschied gibt es z. B. in der Umlautung von e (hochdeutsch trotz Schreibung als ä gesprochen!) nach i im Singular Präsens und im Imperativ Singular.
Diese nachfolgend dargestellte Umlautungs-Zuordnung ist nicht nur schwäbisch, sondern ist eine gesamtoberdeutsche Gemeinsamkeit von Südbadisch-Schweizerisch-Alemannisch, Bairisch-Österreichisch, Südfränkisch und Schwäbisch. Sie umfasst nicht weniger als den halben deutschen Sprachraum, soweit sie nicht schon durch Verhochdeutschifizierung zerstört wurde. Man muss sich das einmal vorstellen: Die gesamte Südhälfte des deutschen Sprachraums wurde und wird germanistisch völlig diskriminiert!
deutsch | ich esse (ässe) - du isst - er/sie es isst | deutsch | iss! | |||||||
schwäbisch | i iss - du ischd - är/sui/s issd | schwäbisch | äss! |
Weitere Unterschiede in der Konjugation der Verben hochdeutsch und schwäbisch/gesamtoberdeutsch zeigen sich vielen weiteren Stellen, z. B.:
> (Nicht-) Umlautung des a-Stammvokals in der 2. und 3. Person Singular Präsens
D) Speziell dem Hochschwäbischen eigen sind:
> Der so genannte Einheitsplural für die 1. bis 3. Person Plural
> Kompaktformen bei Infinitiven hochfrequenter Verben, z. B. gäa geben, gao gehen hao haben, lao lassen, sdao stehen u.a.m.
Nebenbei bemerkt:
Diese Kompaktformen gehörten als gen, gan, han, lan und stan seit jeher auch zum Hochdeutschen. Sie wurden aber bei der Formung des Neuhochdeutschen vor etwa dreihundert Jahren von selbst ernannten "Sprachverbesserern" zu zweisilbigen Verben gemacht. Nur bei "sein" und "tun" gelang ihnen das nicht. Die blieben auch im Neuhochdeutschen einsilbig.