"Hiddena" - oder die Entdeckung der schwäbischen E-Klasse
Mitte der 2010er-Jahre war ich auf der Suche nach dem Plural des Wortes "Hütte", schwäbisch "Hidde". Ich vermutete stark, dass dieses weibliche Wort im Plural auf schwäbisch "Hiddena" lauten müsste. Das Nachschlagen im "Schwäbischen Wörterbuch" Hermann Fischers lief ins Leere, da unter diesem Stichwort bei ihm zwar ein Diminutiv (Verkleinerungsform), aber kein Plural (Mehrzahl) aufgeführt ist. Mehr als zwei Jahre wartete ich vergebens, dieses Wort in einem Alltagsgespräch im Plural zu hören, ohne vorher danach zu fragen.
| Und nun war da Frau H., die ich am Tag nach ihrem 80. Geburtstag besuchte. Sie erzählte aus ihrem Leben. Sie habe mit ihrem Mann zusammen viele Wanderungen in den Alpen gemacht, wo sie im Lauf der Jahre "enn viile Hiddena" übernachtet hätten.
Dieser Plural wiederholte sich in ihrem Erzählen noch mehrfach.
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Meine Vermutung war richtig gewesen! Ich bekam sie ungefragt bestätigt.
Ich forschte daraufhin weiter bei anderen Wörtern, bei denen ich ebenfalls die Vermutung hatte, sie müssten zu dieser Art von Wörtern gehören, und wurde immer wieder bestätigt. Die Lektüre der schwäbischen Dichter M. Buck, F. Holder, M. Koch, W. König u. a. m. brachte zusätzlich literarische Belege ans Tageslicht: Miilena Mühlen, Stuubena (Wohn-)Stuben, Gassena Gassen usw.
Wegen ihrer auffälligen Singular-Endung "e" (im Schwäbischen haben Substantive im Singular sonst keinerlei Endung!) und der auffälligen Pluralendung "ena" nenne ich sie die E-Klasse.
Ein Nachforschen in althochdeutschen und mittelhochdeutschen Grammatiken ergab schließlich das überraschende Ergebnis: Diese hochschwäbische E-Klasse ist die direkte Fortsetzung der althochdeutschen Deklinationsklasse der î-Substantive!